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Warum eigentlich Gebärden­sprache, Svenja?

Warum eigentlich Gebärdensprache, Svenja?

“Bist du taub? Hast du taube Eltern?”

Ich werde ganz oft gefragt, warum ich Deutsche Gebärdensprache (DGS) lerne - von hörenden und von tauben Menschen. Nein, ich bin nicht taub. Nein, meine Eltern auch nicht. Und auch sonst niemand in meiner Familie. Wenn ich dann auch noch sage, dass ich nicht mein Geld mit DGS verdiene, also nicht als Dolmetscherin arbeite, sind die Blicke noch erstaunter.

Svenja spricht in Gebärdensprache vor dem Sonnuntergang

Ja, warum also?

Ich nehme euch mit zurück in die 1990er…Ich war zwölf, im Kino lief der Film “Jenseits der Stille” - die Geschichte von einem Mädchen, das mit tauben Eltern aufwächst und ihre Liebe zur Musik entdeckt. Eine Storyline, die oft wiederholt wurde, in “Verstehen Sie die Béliers” oder in “CODA”. In den 90er Jahren aber war es in Deutschland eine große Sache, Gebärdensprache auf die Kinoleinwand zu bringen, denn DGS war bis 2002 nicht als vollwertige Sprache anerkannt. Ich also saß im Kino, mit meiner Mutter und Freunden und erinnere mich bis heute, dass dieser Film mich tief beeindruckt hat. Ich weiß nicht mehr, ob ich vorher jemals Menschen getroffen hatte, die sich mit Gestik und Mimik unterhalten, wahrscheinlich nicht. Ich war begeistert, fasziniert, ich wollte diese Sprache unbedingt kennenlernen.

Svenja gebärdet in der Abendsonne

Mit 14 Jahren saß ich in meinem ersten VHS-Kurs im Gehörlosenzentrum in Frankfurt, zwischen lauter Erwachsenen und einer tauben, muttersprachlichen Lehrerin. Der wöchentliche Kurstermin wurde für die nächsten Jahre ein Fixpunkt in meinem Alltag, ich wanderte alle Aufbaustufen nach oben. Allerdings fehlte meinem Teenager-Ich der Mut, sich aus dem Kurs heraus zutrauen. Außer meiner Lehrerin traf ich keine andere taube Person und irgendwann war mir nicht mehr klar, warum und wofür ich eigentlich Gebärdensprache lernen wollte. Den letzten Kurs besuchte ich nicht mehr - die Motivation war weg. Was nicht weg war, war ein kleiner Stich, ein kleiner Schmerz der mir sagte “ich wäre gerne dran geblieben”.

Erst zwölf lange Jahre später gab es nochmal diesen Ruck in mir, einen zweiten Anlauf zu nehmen. Angestoßen von einem Menschen in meinem Umfeld, der auch DGS lernen wollte. Mittlerweile in Berlin und mit voller Entschlossenheit - now or never! - arbeitete ich mich noch einmal durch alle Kursstufen bei GebärdenService. Die Frage nach dem “warum und wofür” kam auch da noch manchmal in meinen Kopf. Aber dieses Mal nahm sie mir nicht die Motivation. Vielleicht - einfach nur für mich. Vielleicht - um sich mit anderen Menschen unterhalten zu können, wie auch auf Englisch oder Französisch. Vielleicht - wer weiß - sogar irgendwann in Kombination mit meinen anderen Interessen? Klettern, Berge, Umweltbildung, Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Erlebnispädagogik…

Svenja gebärdet im Grünen

Bei diesem zweiten Anlauf war die Frage nach dem “wofür” einerseits nicht so wichtig, andererseits gab es ganz vage Ideen, von denen ich noch kein klares Bild hatte. Das war 2013. Jetzt, zehn Jahre später, ist DGS ein knallroter Faden, der sich durch mein Leben und meine Arbeit zieht. Und mittlerweile finde ich es gerade gut, dass DGS nicht mein Hauptfokus ist im (Arbeits-) Leben sondern ganz nebenbei in all meine Projekte einfließen kann, egal ob bei Luft & Lee, im DAV oder im Ehrenamt. Angebote machen, die für alle zugänglich sind - ganz selbstverständlich und nicht besonders. Ich sehe das als meinen kleinen Beitrag für eine barrierefreiere und inklusivere Welt.

Aus meiner persönlichen Geschichte mit Gebärdensprache ziehe ich auch immer wieder den Mut, dass das Ziel nicht immer sichtbar sein muss. Du willst etwas tun, weil es dich begeistert? Mach es! Du willst etwas lernen, was dich interessiert? Fang an, auch wenn du noch nicht weißt, ob du es jemals “brauchen” wirst. Hab Freude unterwegs und denk nicht zu viel nach über dein Ziel. Enjoy the ride!

Svenja gebärdet auf einer Wiese